Klosterkirche

Die Klosterkirche
Die ehemalige Klosterkirche zu Blomberg, heute Gotteshaus der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde, stellt eine der bedeutendsten Leistungen spätgotischer Kirchenbaukunst in Westfalen-Lippe dar.

Der Selige Winkel mit Blick auf den Wunderbrunnen

Der Selige Winkel mit Blick auf den Wunderbrunnen

Romantisch im “Seligen Winkel”, der im 13. Jahrhundert gegründeten Stadt gelegen und umgeben von zahlreichen wohlgepflegten Fachwerkbauten, ist die Klosterkirche neben Rathaus, Burg und Niederem Tor eines der historischen Wahrzeichen Blombergs. Der Kirchenbau verdankt seine Entstehung einem Ereignis, das sich zwischen Ostern und Pfingsten des Jahres 1460 in Blomberg zugetragen hat.

Eine junge Bürgersfrau namens Alheyd – als Brunnenfigur ziert sie seit 1989 den Blomberger Marktplatz – hatte “nach österlicher Speise” 45 geweihte Hostien aus der städtischen Pfarrkirche St.Martin gestohlen und sie aus Furcht vor Entdeckung der ruchlosen Tat in einen Brunnen geworfen. Alheyd wurde dabei jedoch beobachtet, ins Gefängnis geworfen und nach kurzer Gerichtsverhandlung als “Hexe” zum Feuertode verurteilt.

Der Brunnen aber wurde zum “Wunderbrunnen” und löste einen ungeahnten Zustrom von Pilgern aus, die durch das wundertätige Brunnenwasser Heilung von ihren Gebrechen oder durch den Besuch der heiligen Stätte einen Ablaß ihrer Sünden erhofften. So bedeutsam wurde die Blomberger Wallfahrt, daß der damalige Landesherr, Edelherr Bernhard VII. zur Lippe, schon bald einen Altar über dem Wunderbrunnen errichten ließ und von Papst Pius II. im Jahre 1462 die Erlaubnis erhielt, eine Kirche “Zum Heiligen Leichnam Christi” erbauen zu lassen (Capella corporis Christi, beate Marie virginis et s. Georgii).

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Außenansicht der Kirche

Die Jahreszahl 1462 befindet sich eingemeißelt an einem Strebepfeiler des Chores: “Anno dm MCCCC sexagesimo secundo”. Als weiterer Schritt folgte im Jahre 1468 die Gründung des Klosters “Zum Heiligen Leichnam” (monasterium corporis Christi) an der Stätte des Hostienfrevels. Bernhard VII. und sein Bruder Simon, Bischof von Paderborn, schlossen zu diesem Zweck einen Vertrag mit den seit 1441 in Möllenbeck in der Grafschaft Schaumburg ansässigen Augustiner-Chorherren, nach dem diese ein Kloster für 24 Kanoniker mit dazugehörigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden errichten und den begonnenen Kirchenbau weiterführen durften.

Von den Klostergebäuden stehen heute nur noch die Kirche und ein Teil eines größeren Baues, der nach der Reformation für kirchliche und schulische Zwecke genutzt wurde. Die Reformation fand in der Grafschaft Lippe, mithin auch in Blomberg, im Jahre 1538, ihren endgültigen Abschluß.

Das Blomberger Klostervermögen, darunter die Vorwerke Schieder und Siekhof sowie die Einkünfte der Wallfahrtskirche zu Wilbasen fielen an die Landesregierung, die Klosterstätte selbst erst 1651 als Schenkung Graf Johann Bernhards an die Stadt Blomberg, die damit neben der Stadtkirche St.Martin über eine zweite Kirche verfügte, in der unregelmäßig Gottesdienste der 2. Pfarre stattfanden.

Als dann im Jahre 1833 die Martinikirche wegen angeblicher Baufälligkeit abgebrochen wurde, hat man die wohl arg in Verfall geratene Klosterkirche sorgfältig instandgesetzt und sie zur nunmehr einzigen evangelisch-reformierten Stadtkirche erhoben. Von St.Martin blieb der mächtige Kirchturm mit dem aus dem Jahre 1846 stammenden charakteristischen spitzen Turmhelm.

Von hier rufen seit 1978 drei neue Bronzeglocken mit den Namen Glaube, Liebe, Hoffnung die Gläubigen zum Gottesdienst in der ehemaligen Klosterkirche.

Die drei Stahlglocken

Die drei Stahlglocken

Die drei vorherigen Stahlglocken, 1921 von drei Blomberger Familien gestiftet, haben nach 1978 ihren Platz südlich vor dem Chor der Kirche gefunden.

Mit dem Bau der Kirche dürfte kurz nach 1460, spätestens 1462 begonnen worden sein. Der ursprüngliche Plan lief wohl auf den Bau einer einschiffigen Basilika hinaus, wie wir sie auch im Kloster Falkenhagen vorfinden, die von demselben Baumeister ab 1479 errichtet wurde. Dort hat der Meister neben seinem Steinmetzzeichen auch seinen Namen der

Nachwelt überliefert: Hinrich Goellerth. An der Blomberger Kirche ist sein Zeichen an einigen markanten Punkten sowohl am Chor wie am südlichen Seitenschiff erhalten geblieben.

Nach Gründung des Klosters wurde der Bau bis zu seiner endgültigen Weihe im Jahre 1474 zu einer typisch westfälischen Hallenkirche mit zwei Seitenschiffen erweitert. Untypisch ist, daß der Kreuzgang und die Klostergebäude sich nördlich anschlossen, so daß die “Schauseite” mit den schönen Maßwerkfenstern nach Süden zeigt. Auf diese Weise ergibt sich der eindrucksvolle freie Blick auf das gesamte Bauwerk mit den zwei Quersatteldächern und deren Fachwerkgiebeln sowie dem kleinen Fachwerkerker, in dem seinerzeit zwei kleine Glocken untergebracht waren.

Chor und südliches Seitenschiff sind durch Strebepfeiler und Gesimse klar gegliedert. Die Fenster sind hier von unterschiedlicher Größe, besonders prachtvoll das Maßwerk an dem vierteiligen Fenster des südlichen Seitenschiffes. Dreipaß, Vierpaß und verschiedene Variationen des spätgotischen Fischblasenmusters, vor allem in Form des Dreischneuß, sind die vom Baumeister bevorzugten Maßwerkelemente. Die Strebepfeiler werden durch größtenteils aus der Bauzeit stammende zierliche Fialen bekrönt. Das Dach ist durchgängig mit den in Blomberg so genannten Höxterplatten gedeckt.

Das Innere der Kirche betritt man durch das Südportal, dessen Gewände mit Kehlen und Rundstäben profiliert sind.

Im Spitzbogen befindet sich ein buntverglastes Fenster, das vermutlich, wie auch die anderen Kirchenfenster, aus der Werkstatt des Quedlinburger Glasmalers Ferdinand Müller stammt.

Mittelschiff mit Blick auf den Chorraum

Mittelschiff mit Blick auf den Chorraum

Der erste Eindruck vom Kircheninneren ist der einer fast erhabenen Schlichtheit.Vier mächtige Säulen tragen den aus dreijochigem Mittelschiff und entsprechenden Seitenschiffen gebildeten, fast quadratischen Raum, dem sich nach Osten der Chor mit dem gewohnten Fünfachtel-Abschluß anschließt.Die Schlußsteine der Kreuzgewölbe zeigen im Chor das Lamm Gottes

und die lippische Rose des Kirchen- und Klostergründers, im südlichen Seitenschiff das Schaumburger Nesselblatt, die Lippische Rose und das Wappen Bischof Simons von Paderborn, im westlichen Mittelschiffsjoch wieder eine Rose, im nördlichen, etwas schmaleren Seitenschiff zweimal das Kreuz der Augustinerchorherren und einmal die lippische Rose.

Die Freipfeiler und Dreiviertel-Eckpfeiler am Chorbogen zeigen profilierte Basen und Kämpfer, letztere Blattrankenmuster, der südliche über der Kanzel eine kleine hockende Figur.

Die Seitenschiffsvorlagen zeigen ornamentierte Kapitelle mit spätgotischen Blattmustern, im nördlichen Seitenschiff als figuralen Schmuck drei Masken mit gewaltigen Ohren.

Von der ehemals reichen Ausstattung der Kirche an Altären und Plastiken ist nichts erhalten geblieben. Noch im Jahre 1952 wurde der prachtvolle gotische Baldachin eines aus feinem Sandstein gefertigten Sakramentshauses aus der Kirche entfernt, bereits freigelegte Freskenmalereien wieder übertüncht. Im Volksmund nannte man die Kirche früher wegen dieser Fresken die bunte Kirche.

Leider ist auch die ursprüngliche gotische Verglasung der Fenster restlos verschwunden. Die heutige Verglasung stammt aus den Anfangsjahren dieses Jahrhunderts. Laut Inschriften wurden einige der Fenster aus Anlaß der 400. Wiederkehr des Todes des Klostergründers Bernhard VII. von den Fürstenhäusern Lippes und Schaumburg-Lippes am 2.April 1911 gestiftet (Wappen von Lippe und Hessen im Mittelfenster des Chores sowie von Schaumburg-Lippe und Sachsen im östlichen Joch des südlichen Seitenschiffes). Über dem Südportal befindet sich eine Darstellung, die auf den Hostienfrevel zurückgeht: Jesus Christus entsteigt dem Brunnen, in den Alheyd die Hostien geworfen hatte.

Taufstein von 1574

Taufstein von 1574

Auf der gegenüberliegenden Seite des Chores steht der aus der abgebrochenen Martinikirche stammende Taufstein von 1574 mit dem Steinmetzzeichen des Blomberger Baumeisters Hans Rade. Auch zwei im Chor aufgestellte Grabplatten stammen aus der ehemaligen Stadtkirche. Der rechte deckte früher die Grabstätte des ersten reformierten Pastors der Gemeinde, Abraham Theopold (+1657), und seiner Gemahlin Elisabeth Stapperfenne, die linke erinnert an den schaumburg-lippischen Amtmann Anthon Günther Kopf (+1707) und seine “nicht weniger berühmte und hochedle Ehefrau” Elisabeth Theopold, Enkelin des Abraham Theopold.

Die größte kunsthistorische Kostbarkeit der Klosterkirche ist die heute im Chor aufgestellte Tumba des Klostergründers Bernhard VII. und seiner Gemahlin Anna von Holstein-Schaumburg.

Die liegenden Figuren des Stifterehepaares sind in voller Größe dargestellt, beide mit betenden Händen.

IMG_3384 (Medium)Bernhard hält unter dem linken Arm ein langes, fein ornamentiertes Schwert. Schön herausgearbeitet sind viele Einzelheiten in Kleidung und schmückendem Beiwerk, z.B. Annas Halskette mit einem Anhänger, der den heiligen Eustachius, vor einem Hirsch kniend, zeigt. Zu Häupten der Eheleute finden sich deren Wappen, die lippische Rose und das schaumburgische Nesselblatt; zu ihren Füßen je ein Löwe, wie bei derartigen Denkmälern damals üblich. Je sieben Nischen an den Langseiten der Tumba sind heute leer; ursprünglich standen dort vermutlich Figuren von Trauernden, sogenannten “Pleurants”.

Die Fußseite der Tumba hat der Künstler mit dem ziemlich genau getroffenen Abbild der Kirche geschmückt. Zu erkennen ist, in das Südportal hineingestellt, die unglückliche Alheyd, wie sie die 45 Hostien in den “Wunderbrunnen” wirft. In der Mitte Jesus Christus mit Dornenkrone, Rute und Geißeln, wie er aus dem sechseckigen Brunnen aufersteht, links und rechts die den Erlöser anbetenden Klostergründer Anna mit ihrem Schutzheiligen Jakobus d.Ä. und Bernhard mit dem Apostel Andreas.

Die Platte, auf der das Herrscherpaar ruht, trägt auf ihrer profilierten Randschräge 16 Wappenbilder aus der Vorfahrenreihe Bernhards VII. sowie eine lateinische Inschrift, in deutscher Übersetzung: “Im Jahre des Herrn 1511 starb der edle Herr Bernhard zur Lippe, Stifter dieses Klosters und sein großer Förderer bis an seines Lebens Ende. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen. Im Jahre des Herrn 1495 starb die edle Herrin Anna zur Lippe, Gräfin von Holstein und in Schaumburg, am Tage nach Mauritius. Hier ist sie bestattet. Ihre Seele ruhe in Frieden. Amen.”

Bernhard und Anna waren nicht die einzigen in der Klosterkirche bestatteten Personen. In der im Jahre 1623 erbauten Gruft unter dem Westteil der Kirche befinden sich die Särge von 19 Angehörigen derer zur Lippe, darunter von vier regierenden Grafen. In einer Seitenkammer ruht, neben seinen Gemahlinnen Ermgard von Rietberg und Elisabeth von Holstein-Schaumburg, einer der bedeutendsten lippischen Herrscher, Simon VI., der von 1554 bis 1613 lebte und Ahnherr aller lippischen und schaumburg-lippischen Prinzen und Prinzessinnen ist. Über Prinz Bernhard der Niederlande besteht auch eine Verbindung zum niederländischen Königshaus.

Die Orgel auf der Empore

Die Orgel auf der Empore

Die heutige Orgel über der Westempore ist sicherlich eine der schönsten und klangvollsten weit und breit. Sie kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Die der Kirche 1575 vom Graf Simon VI. geschenkte Orgel mußte im Laufe der Jahrhunderte häufig erneuert und verbessert werden, bis im Jahre 1839 der Gottsbürener Orgelbauer Kuhlmann für die stattliche Summe von 1600 Rth. eine ganz neue Orgel anfertigte. Auch diese mußte, zuletzt 1930 öfter repariert und erneuert werden, bis schließlich im November 1981 die gesamte Orgel abgebaut und von der Firma Sauer in Ottbergen zu ihrer heutigen Schönheit und Größe um- bzw. neugebaut wurde.